FINALE! Alle mussten raus!

FINALE! Alle müssen raus! Dem iRRland - Kulturoase, Kunstraum, Proberaum, Atelier, Ausstellungsraum, Vorführraum, Werkstatt, Büro, Gemüseverteilort, Hackerspace, Lager und vor allem Freiraum - wurden die Räume zur Mitte des Jahres gekündigt. Warum, wieso, und was die B8 Immobilien GmbH, seit eineinhalb Jahren Besitzerin des Hauses - damit vorhat, bleibt weiterhin im Dunkeln. Klar ist nur: Ein Raum wie das iRRland ist offenbar von diesen Menschen nicht erwünscht, wo es doch so dringend Raum für Kunst und Kultur braucht in dieser vermeintlichen Weltstadt. Da ändert auch das Engagement des örtlichen Bezirksausschusses und Solidaritätsbekundungen von knapp 200 Menschen nichts daran: Wo die Maxime der Verwertung herrscht, hat sich auch die Kultur dem unterzuordnen oder halt einzupacken. 
 
Zum Abschluss der 8-jährigen Geschichte mit weit über 100 Veranstaltungen zelebrieren wir die kulturelle Vielfalt des iRRland mit einem fünftägigen Festival: FINALE! Die letzten iRRland-Kunstfestspiele. Wir haben zahlreiche Künstler*innen eingeladen, von denen manche das iRRland seit Beginn begleitet haben, und manche ihr Debut erst ganz am Ende geben können. Mehr zu den Kunstfestspielen und ein genaues Programm findet sich hier
 
Wir wollen diese Gelegenheit auch nutzen, ein paar Worte zu den Umständen loszuwerden, unter denen wir die liebgewonnenen Räume in der Bergmannstraße verlassen müssen, denn es ist schon mehr als klischeehaft, wie das ganze bis jetzt abgelaufen ist:
 
Als wir vor über 8 Jahren begannen, unsere Räume in der Bergmannstraße 8 anzumieten, gehörte das Haus einer Privatperson aus der Münchner Vorstadt. Anfang 2017 wurde das Anwesen verkauft - meistbietend. Über 4 Millionen sollen es gewesen sein. Die neue Eigentümerin: Die B8 Immobilien GmbH & Co. KG - ein eigens für den Kauf des Anwesens in der Bergmannstraße 8 im Herbst 2016 gegründetes Unternehmen mit Sitz im Münchner Bogenhausen: der Geschäftsführer, ein in die Tage gekommener Rechtsanwalt, 75 plus. Olaf Jansen heißt er, grauer, kurzer Schopf, seit über 25 Jahren berät er seine Klient*innen in München u. a. im Erb-, Immobilien-, Miet- und Baurecht. Es geht um Belastungen, Veräußerungen, Indexklauseln, Zwangsvollstreckungen und Fragen wie z.B. "Habe ich Chancen, einen Zeitmietvertrag vorzeitig zu beenden?“. Gesellschafter der B8 Immobilien GmbH ist die BLL Real Estate GmbH. Gleicher Firmensitz, gleicher Geschäftsführer. Die BLL Real Estate GmbH tritt als Gesellschafter in über 20 Immobilienfirmen in München auf. Von vielen ist ebenfalls Jansen der Geschäftsführer. Ihre Namen sind oft wenig originell: B13, M26, T92, MP22, K60, S23a, Türkenstraße 47, Max-Emanuel, usw. Klar, es geht ja auch nur ums Geld. Verwaltet werden die Objekte und auch das Haus in der Bergmannstraße 8 von der ADIX Immobilien GmbH. Auch hier: Gleicher Firmensitz und Jansen ebenfalls Geschäftsführer.
 
Zu Weihnachten 2018 erhalten wir die Kündigung - ohne Angabe von Gründen. Ende Juni 2019 sollen wir raus. Rechtlich gesehen ist alles wasserdicht - Gewerberecht eben. Gezeichnet ist die Kündigung von Jansen. Anfang Januar schreiben wir ihm und fragen nach den Gründen der Kündigung - mehrmals. Wir bitten ihn auch um eine Verlängerung: ein paar Monate, bis wir Ersatzräume gefunden haben. Wir erhalten keine Antwort - bis heute nicht. Vom Chef des benachbartem Elektrobetriebs erfahren wir durch Zufall, dass er ab Sommer unsere Räumlichkeiten anmieten wird. Er freut sich. Das Haus im Hinterhof, wo er bisher sein Lager hatte, müsse er räumen, behauptet er. Den Großteil des zweistöckigen Häuschens im Hinterhof hat er allerdings untervermietet, an einen Musiker. Im Frühjahr wird diesem aus heiterem Himmel sein Untermietvertrag gekündigt. Auch er soll im Sommer seine Wohnung verlassen. Er fällt aus allen Wolken. Vor kurzem klang alles noch so, als wäre er da die nächsten Jahre sicher, erzählt er uns. Jetzt soll er schnell seiner eigenen Kündigung per Unterschrift zustimmen - schließlich war man ja auch immer "fair" zu ihm. Eigenartig.
 
Kurze Zeit später wird alles noch verworrener. Wir hören, dass der Elektrobetrieb bald verkauft wird. Der alte Eigentümer geht in Rente, will mit allem nichts mehr zu tun und schon gar nicht von irgendetwas gewusst, geschweige denn es in die Wege geleitet haben. Ob er die Räume wirklich braucht, oder was jetzt mit dem Hinterhaus ist, verrät er uns nicht. Stattdessen fragt er, warum wir uns denn überhaupt so aufregen. Verträge seien Verträge, da müsse man sich dran halten, habe er als langjähriger Unternehmer gelernt. Er findet es auch gut, dass im Haus endlich mal etwas passiert, dass endlich mal ordentlich renoviert wird. Dass vier Wohnungen mittlerweile leer stehen, zum Teil schon seit einem Jahr, und luxussaniert werden, stört ihn scheinbar nicht. Die Kündigung seines Untermieters im Hinterhof nimmt er jedoch unvermittelt und kommentarlos zurück. Immerhin das.
Auch die neuen Inhaber des Elektrobetriebs äußern sich undurchsichtig. Erst heißt es, sie wüssten auch nicht so recht was los sei. Zum Vermieter habe man keinen Kontakt. Man wisse selbst nicht, ob man die eigenen Räume behalten könne. Wenig später wird uns wieder die alte Geschichte aufgetischt: Sie bräuchten unsere Räumlichkeiten als Lager, weil sie aus dem Hinterhaus raus müssten.
 
Von Jansen gibt es nach wie vor keine Reaktion - auch nicht auf das Schreiben vom Bezirksausschuss Schwanthalerhöhe, der sich für eine Verlängerung unserer Räumlichkeiten ausgesprochen hat. Allein auf Anfrage der Süddeutschen Zeitung hat sich im März zumindest die Hausverwaltung zu Wort gemeldet. Robert Gillitzer, Mittfünfziger, langes Haar, nach hinten geföhnt, neben Jansen der zweite Geschäftsführer der ADIX Immobilien GmbH, schiebt das Ausbleiben einer Antwort auf "grippebedingte Ausfälle". Außerdem sieht er die Stadt in der Pflicht "kulturell Interessierten etwas anzubieten". Das dürfe man seiner Meinung nach "nicht dem freien Markt überlassen" - was für eine Chuzpe!
 
Die Machenschaften der Investoren Jansen und Co haben bereits auch an anderer Stelle für Unmut gesorgt. Im sogenannten Hohenzollernkarree in Schwabing will die Max-Emanuel Immobilien GmbH ihr 2016 gekauftes Anwesen mit 230 Mieteinheiten modernisieren. Knapp verdoppeln würde sich damit die Miete für einige Anwohner*innen, teilen die Betroffenen Anfang des Jahres entsetzt der Presse mit. Auch in der Bergmannstraße 8 wurde zweimal versucht, die Mieten deutlich zu erhöhen. Bisher ohne Erfolg, die Mieter*innen legten Einspruch ein, da die geplante Erhöhung den legal zulässigen Rahmen überstiegen hätten.
 
Uns befremdet an der ganzen bisherigen Geschichte besonders, dass sich offenbar keiner der Beteiligten im Stande fühlt, mit uns zu sprechen, geschweige denn auf Augenhöhe mit uns zu kommunizieren. An was mag das wohl liegen? Woher kommt dieses respektlose Verhalten und diese Überheblichkeit zu meinen, uns schlichtweg ignorieren oder mit irgendwelchen billigen und widersprüchlichen Geschichten abspeisen zu können? Sind wir ein unverständlicher Fremdkörper, mit dem man nicht umzugehen weiß? Oder ist das einfach Usus in der Welt der Bisnispipeul?
 
Das Problem ist nur: Bis heute wissen wir nicht, wann und wo wir den Schlüssel abgeben sollen. Da müssen wir wohl einfach drinnen bleiben im iRRland, wir können ja schließlich auch nicht einfach die Tür offen stehen lassen. Oder wie stellt ihr euch das vor?
 
 
 
München, 26.5.19    
    
department of volxvergnuegen
 
 
 
 

 

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